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NRW feiert Kronjuwelen-Hochzeit


Die „Operation Marriage“ führte vor 75 Jahren Nordrhein und Westfalen zusammen. Das Jubiläum wird in Düsseldorf gefeiert.

Auf der Galopprennbahn in Düsseldorf tummelt sich an diesem Montag die Prominenz. Die Sicherheitsvorkehrungen sind streng, immerhin haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ghanas Staatspräsident Nana Akufo-Addo angekündigt.

Die Landesregierung hatte im Juni schon mal die Lokalität für die Feierlichkeiten zu 75 Jahre NRW ausprobiert und auf der Galopprennbahn eine ihrer Kabinettssitzungen abgehalten. Dabei hatte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) noch frohlockt, dass auch Gäste aus dem britischen Königshaus erwartet würden. Am Ende aber blieb dieser Wunsch unerfüllt. Dafür kam der britische Handelsminister Greg Hands.

Fünf Wochen vor der Bundestagswahl kommen Laschet die Bilder mit der scheidenden Kanzlerin nur gelegen

Und der demonstrierte gleich mal den britischen Humor. Er selbst habe die „Operation Marriage“ – so der Name der Gründungsoperation der Briten für das Bundesland – erfolgreich vollzogen. Schließlich sei er mit einer Deutschen verheiratet. „Bei jedem Fußballturnier frage ich meinen Sohn, welche Mannschaft er unterstützt. Er sagt dann: ,Papa, ich mache 50/50 – die Hälfte der Zeit für Deutschland, die andere für England.“ Der Sohn sei halt der Diplomat, sagt Hands. „Er hat mir allerdings jüngst gesagt: ,In der ersten Hälfte des Turniers bin ich für England, in der zweiten steige ich um.’“ Ghanas Präsident erklärt NRW gleich mal zum populärsten Bundesland.

Und trotz all dieser Freude über den Geburtstag garniert mit Darbietungen des Jazztrompeters Till Brönner, des Pop-Geigers David Garrett, des WDR-Synphonieorchesters sowie zahlreicher Grußworte Prominenter wie Hape Kerkeling, Manuel Neuer, Nelson Müller oder Veronica Ferres hat die Feier etwas Schwermütiges. Auch den Gastgebern ist bewusst, dass nach der schweren Flutkatastrophe immer noch zahlreiche Mitbürger mit den Folgen kämpfen.

Auch für Armin Laschet ist es kein einfacher Auftritt. An den wartenden Journalisten läuft er freundlich grüßend, aber wortlos vorbei. Ein geplantes Statement lässt er ausfallen. Der Druck auf ihn ist extrem groß. Bloß kein falsches Wort in einer Situation, in der die Umfragewerte im Sinkflug sind und der Kanzlerkandidat mit einer immer stärker verunsicherten Union zu kämpfen hat.

Laschet kann in diesem Moment jede Schützenhilfe gebrauchen. Fünf Wochen vor dem Urnengang kommen Bilder mit der scheidenden Kanzlerin natürlich gelegen. Wenn auch nicht offiziell als Wahlkampfauftritt deklariert, kann man die Zusage Merkels als Unterstützung für ihren Nachfolger werten. Inmitten der Pandemie hatte sie öffentliche Auftritten mit großen Menschenansammlungen wohl dosiert. In Düsseldorf liegt die Inzidenz bei 133,6, die landesweite erstmals wieder über 100.

In seiner Rede umarmt Laschet die Kanzlerin („liebe Angela“) geradezu. Sie habe es möglich gemacht, dass innerhalb kürzester Zeit Bund und Länder 30 Milliarden Euro zum Wiederaufbau nach der Flut zur Verfügung gestellt worden seien. „Das ist eine große gesamtdeutsche Leistung. Dafür der Bundesregierung herzlichen Dank.“ Laschet sagt, Kanzlerin Merkel sei ja bereits vor fünf Jahren beim Jubiläum gewesen: „Aller Voraussicht wirst bist du beim 80. Jubiläum nicht mehr Bundeskanzlerin sein“, scherzt er und bedankt sich für ihr Krisenmanagement in ihren Regierungsjahren – Weltfinanzkrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise und nun die Pandemie.„Dafür dankt dir NRW ganz herzlich“, sagt Laschet unter großem Applaus der Zuhörer. Der Bogen von sich zur Kanzlerin ist geschlagen.

Laschet setzt aber gleich bei seiner derzeit größten Krisen an: Jetzt in der Pandemie sei es erneut der Zusammenhalt, der helfe, diese Krise zu überstehen. Bemerkenswert ist, dass er wiederholt in seiner Rede darauf hinweist, was für ein weltoffenes Land NRW sei. 30 Prozent der Menschen in NRW hätten eine Zuwanderungsgeschichte: „Sie gehören zu unserem Land.“ Und so sei es selbstverständlich, dass man sich bereit erklärt habe, möglichst vielen Afghanen Unterschlupf zu bieten – insbesondere den verfolgten Frauen.

Merkel sagt, sie finde es immer wieder schön, in das Bundesland zu kommen, „in dem ich nach der Wiedervereinigung viel Zeit verbracht habe – eine spannende und prägende Zeit“. Brenzlig wird es kurz, als sie auf die Pandemiepolitik zu sprechen kommt – hier lag sie mit Laschet oft über Kreuz „Wenn Sie die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen, dann nutzen Sie das“, fordert sie die Zuhörer auf. „Unsere Impfquote ist nicht groß genug.“ Die Abkehr von der Inzidenz und Verwendung der Zahl der belegten Krankenhausbetten verteidigt sie, die Details müssten nun mit den Ministerpräsidenten diskutiert werden.

Und sie bedankt sich bei Laschet mit einem Gegenlob: NRW habe es durch den Austausch geschafft, in der Pandemie die Grenzen offenzuhalten. „Das war nicht überall in Deutschland so. Dazu möchte ich euch herzlich beglückwünschen.“

24.08.2021